Serienrezensionen: The Pacific 10. und letzter Teil „Heimat“

Teil 10 – Heimat

Bob Leckie kommt nach Hause und der Empfang bei seinen Eltern ist genauso frostig wie sein Abschied. Sein Zimmer ist inzwischen Rumpelkammer, so als hätten seine Erzeuger nicht mit seiner Rückkehr gerechnet. Er nimmt die Herausforderung an, sein Leben neu zu beginnen und steigt sogleich in seinen alten Job als Sportreporter ein. Vera, die Frau, die er kurz vor seinem Eintritt ins Marine-Corps noch einmal in der Kirche des Ortes, St. Mary’s,  getroffen hatte und der er ankündigte zu schreiben, geht inzwischen mit jungen Offizieren aus. Er legt seine Paradeuniform an und sticht seine Mitbewerber um die Gunst Veras aus. Nachdem er ihr gesteht, ihr Briefe geschrieben zu haben, die er nie abschickte und die inzwischen verloren sind, bildet sich ein zartes Band zwischen den beiden. Bob scheint angekommen zu sein.

Lena Basilone sucht Johns Eltern auf, die vorher kennen zu lernen keine Zeit blieb. Johns Bruder hat den Krieg überstanden und begrüßt sie herzlich, aber die Atmosphäre im sonst so lebhaften und fröhlichen Elternhaus ist bedrückend. Das Leben scheint mit Johns Tod auch hier erloschen zu sein. Nur langsam kommen sich Lena und die Eltern ihres Mannes näher, überwinden aber die Fremdheit und der Neid der Mutter auf die junge Ehefrau, die ihren John noch lebend gesehen und gespürt hat, verfliegt.

Eugene kommt nach Hause. Er betritt die Veranda seines Elternhauses, will an der Haustür klopfen, besinnt sich aber eines besseren. Er geht einfach so in das Haus, sieht sich um. Seine Mutter spürt seine Anwesenheit noch bevor sie ihn sieht und schließt ihn in ihre Arme. Sein Vater wird herbeigerufen und alles scheint wie immer. Mit einem Unterschied: Eugene fühlt sich wie tot.

In der nächsten Zeit schläft er nicht, trinkt schon am frühen Morgen, kommt mit dem Leben im Frieden und in der Heimat nicht zurecht. Sein Freund Sid, zum Glück schon zuhause in Mobile, Alabama, hat ihm einige Tage an Bewältigungsarbeit voraus. Er versucht, Eugene wieder ins Leben zu ziehen, doch der versteht die Menschen in der Heimat nicht mehr. Er kann ihren Übermut und die Lust am Leben nicht teilen, zu sehr schmerzen ihn seine Erinnerungen an das Erlebte.

Sein Vater kennt dies schon durch seine Arbeit als Militärarzt und Veteranenbetreuer der Teilnehmer des 1. Weltkrieges von anderen , aber das Syndrom bei seinem eigenen Sohn zu sehen, erschüttert ihn. Er versucht es mit einer klassischen Vater-Sohn-Verabredung zur Entenjagd. Eugene überkommt auf dem Weg ein starker Drang, alles von sich zu werfen. Als er dann noch sein Gewehr benutzen soll, um die Enten zu schießen, bricht er endgültig zusammen. Sein Vater fängt ihn auf, tröstet ihn und nimmt ihn in den Tagen danach bei seiner Mutter in Schutz, die seine Passivität bemängelt. Noch einmal durchlebt er, was er tat, was der Krieg mit ihm tat. Als er sich an der Universität für sein Studium eintragen lassen will, wird er von einer jungen, unbekümmerte Frau nach seinen besonderen Kenntnissen gefragt und sie geht ihm in ihrer freundlichen, unverbindlichen Penetranz dermaßen auf die Nerven, dass er sie mit seinen Kenntnissen als „Japsentöter“ konfrontiert.

Am Schluss geht das Leben für diejenigen, die überlebt haben, fast normal weiter bis auf die Erinnerungen an diesen grausamsten und unmenschlichsten Zeitraum während ihres Daseins.

Eugene Sledge und Robert Leckie haben mit ihren Erinnerungen und Aufzeichnungen den Grundstock für den Stoff der Serie geliefert. Besonders der Bestseller „Helmet for my Pillow“ von Robert Leckie und „With the Old Breed: At Peleliu and Okinawa“ von Eugene B. Sledge schildern eindringlich die Geschehnisse auf den Inseln Guadalcanal, Peleliu und Okinawa.

Schlussfazit:

Wer Vergleiche zu „Der Soldat James Ryan“ und „Band of Brothers“ des Produzentenduos Steven Spielberg und Tom Hanks anstellt, kommt mit dieser Serie zu Beginn nicht zurecht. Zu unscharf sind die Protagonisten und ihre Geschichte skizziert. Erst ab Teil 3  gewinnt die Geschichte und nach und nach vergisst man die Vorgänger.

Die Serie zeichnet sich durch ungemein dichte Bilder und tief bewegende Momente aus. Nie ist der Wahnsinn und die Grausamkeit des Krieges drastischer im deutschen Fernsehen gezeigt worden. Der Wunsch nach Erlösung von diesem nicht enden wollenden Massaker greift auch auf den Zuseher über, mehr als einmal ist man kurz davor, sich abzuwenden, nur um fassungslos mit anzusehen, das immer noch mehr Steigerungen von Gewalt und Tod möglich sind. So ist aus meiner Sicht die Serie weniger ein Kriegsdrama als vielmehr ein tiefer Blick in die Abgründe der menschlichen Seele. Die ewigen Frage, zu was Menschen fähig sind, deren Leben unmittelbar bedroht ist bekommt hier eine neue Dimension.

Fachlich und technisch exzellent umgesetzt, historisch stark angelehnt an die Realität (was sicherlich den Autoren Eugene Sledge und Robert Leckie zu verdanken ist) ist die Serie ein weiteres kleines Kunstwerk der Erfolgsproduzenten Spielberg/Hanks. Bei allem Realitätssinn jedoch überschreiten manche Szenen die Grenzen des Erträglichen. Man sollte daher aus meiner Sicht keinesfalls Jugendliche unbegleitet an diesen Stoff lassen, es besteht einfach die Gefahr, das  mangels Reife die Serie als „geiles Gemetzel“ abgetan wird. Kriegsfilme stehen ja für gewöhnlich immer unter dem Generalverdacht, mittels Gewaltdarstellungen niedere Instinkte zu wecken, um Aufmerksamkeit zu erregen. Das steht trotz der expliziten Schlachtszenen hier nicht zu befürchten, denn es handelt sich neben allen anderen Aspekten auch um ein Stück Vergangenheitsbewältigung der Vereinigten Staaten von Amerika. Es wird auch mit Kritik nicht sparsam umgegangen und Glorifizierung oder bemühtes Pathos sucht man vergebens.

Insgesamt sehenswert und ein Muss für all diejenigen, die die bereits mehrfach erwähnten Vorgänger schätzen. Allerdings geht Kritik an den Sender Kabel 1: Diese Serie hat zur beliebten Sendezeit um 22.15 nichts im Fernsehen zu suchen, dafür ist der Stoff einfach zu hart.

ENDE

Serienrezensionen: The Pacific, Teil 3-5

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Teil 3 – Melbourne

Nach den aufreibenden und verlustreichen Kämpfen auf „Canal“ nehmen die Soldaten eine Auszeit im nicht allzu fernen Australien verordnet.  In Melbourne finden die 1.US Marines Unterkunft in einem Football-Stadion und nächtigen unter freiem Himmel. Den meisten ist es egal, da sie ohnehin nur schlafen wollen. Andere wie Robert „Bob“ Leckie und John Basilone ziehen es aber vor, das Ausgangsverbot zu ignorieren und machen die Stadt unsicher. Sie werden als Retter und Helden gefeiert und die Bewohner machen es den Männern leicht.

Gleich am ersten Abend sieht Bob Leckie eine junge Frau, die ihn magisch anzieht. Er stellt ihr nach, bekommt ihre Adresse und es entwickelt sich eine zunächst zaghafte, aber immer leidenschaftlicher werdende Affäre. Stella, seine Angebetete hat armenische Wurzeln und Bob wird mit offenen Armen in der Familie aufgenommen. Besonders Stellas Mutter fühlt sich zu Leckie hingezogen; sie sieht in ihm einen neuen Sohn, nachdem der erste als Kind verstarb. Leckies zurückhaltende Art und Bescheidenheit scheinen perfekt zu Stella zu passen. Leckie fühlt zum ersten Mal, was es bedeutet, in einer liebevollen Umgebung mit gegenseitiger Achtung und Respekt zu leben, denn das kannte er bisher von seiner Familie nicht.

Es geht ihm richtig gut, und der Gedanke an ein Ende durch einen erneuten Fronteinsatz dringt nicht zu ihm durch. Während für Bob aus Leidenschaft Liebe wird, treiben Stella jedoch ganz andere Gedanken um. Sie stellt sich die Frage, was wäre, wenn Bob nicht nach Australien zurückkäme und sein Leben an irgendeinem völlig unbekannten und unwichtigen Flecken Erde ein frühes Ende fände? Sie empfindet den Gedanken an den Verlust, den ihre Mutter erneut erleiden würde, als unerträglich und beendet die Beziehung zu Bob Leckie. Für Bob bricht eine Welt zusammen und er ertränkt seinen Kummer in Alkohol.

John Basilone lässt es in Melbourne richtig krachen. Der unbekümmerte Italo-Amerikaner sucht und findet jegliche Form der Entspannung, bis zu dem Tag, an dem ihm sein Kommandeur „Chesty“ Puller die Tapferkeitsmedaille (Medal of Honour) des Marine-Corps an die Brust heftet. Basilone wird aufgefordert, seinen Ruhm, der längst in der Heimat Tagesgespräch ist, zu nutzen, um dort als der „Held von Guadalcanal“ Kriegsanleihen zu verkaufen. Denn der Krieg ist teuer und Amerika ist pleite. Basilone beugt sich, verlässt die Truppe und reist ab in die Heimat.

„Es ist nicht der Krieg, der die Menschen verändert, denn der trägt den Willen zum Krieg in sich. Es sind vielmehr die Umstände, unter denen er stattfindet und wie der Mensch sich mit ihnen arrangiert“


Teil 4 – Cape Gloucester

Eugene Sledge ignoriert die Warnungen und „Untersuchungsergebnisse“ seines Vaters und meldet sich freiwillig zu den Marines. Er übersteht die Musterung problemlos und wird zu den Mörsern (Anm.: tragbare Granatwerfer zur Unterstützung von Infanterieeinheiten) der 1. US Marineinfanteriedivision versetzt. Er wird mit seiner Einheit als Ersatz für gefallene Soldaten in den Pazifik verlegt und landet Anfang Januar 1943 auf Pavuvu schließlich im selben Armeelager wie sein bester Freund Sid.

Die Männer um Bob Leckie müssen derweil auf Papua-Neuguinea um Cape Gloucester herum unter den extremsten Wetterbedingungen brutale Angriffe überstehen und verlieren nach und nach die Nerven. Leckie ist nach der Trennung von Stella nahezu traumatisiert und erkrankt an Depressionen. Während Dauerregens und permanenten Kampfhandlungen dreht ein Kamerad von Leckie durch und erwürgt mit bloßen Händen einen Schwerverwundeten Japaner.

Der erste Selbstmord in der Truppe läßt nicht lange auf sich warten und erschüttert alle, am meisten aber Leckie, der völlig den Boden unter den Füßen verliert. Er beginnt sich einzunässen, ist kampfuntauglich, unberechenbar und antriebslos und wird schließlich ins nahe gelegene Lazarett verlegt, landet aber wegen Platzmangels in der Army-Psychatrie. Sein Souvenir aus dem Dschungelkampf ist eine japanische Offizierspistole, die er behält und auch mit ins Lazarett nimmt.

Er baut dort eine vertrauensvolle Beziehung Army-Psychologen auf und lässt sich, nachdem sein Zustand sich deutlich verbessert hat, entlassen. Sein Preis: Die Pistole wechselt den Besitzer in Form eines Bestechungsgeldes an den Psychologen. Doch die Spätfolgen sind nicht zu leugnen – Leckie ist desillusioniert und hätte nichts gegen ein Ende seines Lebens im Feld einzuwenden.

Wieder wird klar, das Entmenschlichung grenzenlos sein kann, es immer noch eine weitere Stufe auf dem Weg zurück zum Beginn unserer Zivilisation gibt. Menschen werfen in solchen Situationen jeden zivilisatorischen Ballast ab, reduzieren sich auf den nackten Kampf ums Überleben mit allen Mitteln. Der Menschlichkeitsverlust ist weitgehend irreparabel und dieser Teil der Serie ist schlicht erschütternd. Der Zuseher leidet mit jedem Protagonisten mit und taucht ab in die schreckliche Wirklichkeit des Pazifik-Krieges:

„Was haben sie euch bloß angetan, was ist mit euch passiert?“


Teil 5 – Peleliu, die Landung

In der Heimat muss John Basilone feststellen, welch entwürdigende Rolle er in dem „The Bond-Tour“ (Bond=Anleihe) genannten  Werbefeldzug für den Verkauf von Kriegsanleihen spielt. Er verfällt seiner alten Rolle als Lebemann und nimmt, was er bekommen kann. Er badet im Luxus und im Ruhm seiner Taten. Als er erfährt, das sich sein Bruder freiwillig zur Army gemeldet hat, bittet er ihn jedoch inständig, sich nicht an die Front versetzen zulassen, sondern sich einen Armyjob in der Etappe zu suchen.

Eugene, Bob und ihre Kameraden treffen sich in einem Sammellager auf Pavuvu (das heutige Russel Island), einem kleinen Archipel der Salomonen. Noch erfüllt von geradezu euphorischem Kampfgeist treffen die Neuankömmlinge und kampferprobten Marines auf eine abgekämpfte und komplett desillusionierte Truppe. Eugene findet auch Sid, seinen besten Freund völlig verändert vor. Die jugendliche Unbekümmertheit ist ihm komplett abhanden gekommen und Eugene dringt kaum noch zu Sid durch. Die Einschiffung zur nächsten nervenzerfetzenden Schlacht um Peleliu (Palau-Gruppe), einer Insel mit einem kleinen Flugfeld wirkt zunächst erlösend, dieses Gefühl schlägt aber schnell in Entsetzen um,  als die Landung am 15. September 1944 beginnt.

Erstmalig verwenden die US-Marines die seit 1940 als  „Alligator Typ V“ bekannte Amphibienpanzer als Landungsboote. Anders als bei den üblichen Landungsbooten steigen die Truppen nicht außerhalb der Transportschiffe in die Boote, sondern bemannen im Schiffsrumpf die kleineren, leicht bewaffnete Amphibienpanzer. Dann werden wie bei RoRo-Fähren (Roll on-roll off Schiffe mit zwei klappbaren Ein- und Ausfahrrampen) die Schiffstore geöffnet und die Alligators setzen sich direkt aus der Dunkelheit des Schiffsinneren in die strahlende Sonne in Bewegung. Der Ein- und Ausstieg erfolgt nicht über eine Rampe, sondern über die Seiten des Panzerfahrzeugs.

Bereits in der ersten Phase der Landung geraten die Alligators unter massiven Beschuss der Japaner. Es gibt nicht ein Fahrzeug, das ohne Verluste den Strand erreicht. Eugene fühlt sich wie aus einem tiefen Traum mitten in eine unfassbare Wirklichkeit geworfen und ist wie gelähmt. Mit nur leichtem Gepäck und ohne ausreichenden Nachschub an Munition und Wasser kämpfen sich die Marines Meter für Meter unter entsetzlichen Verlusten über den Strand bis zur ersten minimalen Deckung aus Ufergestrüpp und entlaubten Bäumen vor.

Obwohl die abgebildeten Szenen schier unerträglich sind, kann man sich kaum von ihnen lösen und hofft mit jedem Mann mit, diese Hölle einfach nur zu überleben. Allein in diesem Strandabschnitt Pelelius im Südwesten, nahe des Flugfeldes, sind an der Landungsoperation 15.000 Marines beteiligt. Später kommen im Westen bei einer weiteren Landungsoperation die 321 ste und 323 ste US-Infanteriedivision mit 13.000 Mann hinzu. Ihnen stehen 12.000 schwer bewaffnete und eingegrabene Japaner der 14. Division gegenüber.

Am Ende des Tages haben Bob Leckie, Eugene Sledge und die anderen den Strand überwunden und liegen in leichter Deckung kurz vor dem Flugfeld. Die alles entscheidende Frage an diesem Abend war aber weder strategisch noch militärisch, sondern elementar:

„Wer hat noch Wasser, wer hat noch  Munition?“

(Anmerkung des Verfassers: Grundlage für einen erfolgreichen Feldzug gegen die Japaner war das Erreichen der Luftherrschaft über die von Japan eroberten Gebiete. So lange die Amerikaner keine Flughäfen verwenden konnten, sondern von der Reichweite ihrer eingesetzten Flugzeugträger abhängig waren, war ihr Einsatzgebiet stark eingegrenzt. Mit der Strategie des „Inselspringens“ war es das oberste Ziel, gegnerische Flugfelder zu erobern und als Stützpunkt für die nächste zu erobernde Insel zu benutzen. Das Endziel dieser Strategie war die Eroberung von Flugfeldern, von denen aus das Kernland Japans erreichbar wäre. Das wussten natürlich auch die Japaner, deren Angriffsradius mit jedem verlorenen Flugfeld kleiner wurde. Entsprechend heftig wurde jedes Flugfeld verteidigt, um genau dieses Endziel unerreichbar zu machen)

Weiter mit Teil 6 – Peleliu, das Flugfeld

Neue Kategorie „Serienrezensionen“

Ab heute gibt es eine neue Kategorie in meiner Mediathek. „Serienrezensionen“ beinhaltet Reviews von TV-Serien, DVD-Serien oder Reihen von Filmen mit gleichem Hauptthema. Die Kategorie wurde erforderlich, um mein erstes Mammut-Projekt aufzunehmen: Ab morgen werden mehrere Artikel zur TV-Miniserie „The Pacific“ veröffentlicht. Das Projekt läuft seit Serienbeginn im Juli 2010 und endet mit Ausstrahlung der 10. und letzten Folge in der vergangenen Woche. Als Nebenthema zur Beschreibung habe ich mehrere Anmerkungen und Exkurse zum Thema „Mensch und Krieg“ eingearbeitet. Ab morgen könnt Ihr also den ersten Artikel lesen.